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Shure hat mich mit dem AONIC50 größtenteils überzeugt und dann mit dem AONIC40 ein wenig nachgelassen. Nun sind scheinbar erst einmal genug Over-Ear-Kopfhörer mit Bluetooth im Angebot vorhanden, weswegen sich der amerikanische Audiospezialist auf eine andere Bauform konzentriert. Für aktuell 170 Euro könnt ihr den Shure AONIC Free kaufen. Die Earbuds kommen mit Bluetooth, einem Transparenzmodus, bis zu 21 Stunden Akkulaufzeit und ohne aktive Geräuschunterdrückung.
In dieser Preisklasse ist die Premium-Konkurrenz aus Dänemark eher dünn aufgestellt – für 150 Euro bekommt ihr dort lediglich das Auslaufmodell Beoplay E8 2.0. Der kann dann zwar Wireless Charging, klingt aber eher dumpf und bietet weder hochauflösende Codecs, noch brauchbare Mikrofone für Telefongespräche. Shure hat sich also einen guten Preispunkt ausgesucht, um die High End-Konkurrenz aus dem direkten Vergleich zu entfernen. Der aktuelle Beoplay EX ist mit 400 Euro deutlich teurer.
Willkommen in der ChinaHandys.net HiFi Corner! Ich bin Benjamin Kalt, neben Smartphones ist Audio eine meiner größten Interessen und im Team bin ich der bekennende Snob, wenn es um hochwertige Bluetooth-Kopfhörer geht. In der HiFi Corner schreibe ich über alle möglichen Audio-Produkte, die mir so in die Finger geraten.
Alle weiteren in dieser Artikelreihe erschienenen Testberichte findet ihr unter diesem Link.
Genug der Einordnung, schauen wir uns den Shure AONIC Free endlich im Detail an. Was können die True Wireless Earbuds und was können sie nicht oder zumindest nicht besonders gut? Wir finden es in diesem Testbericht heraus, dem ein rund fünfwöchiger Testzeitraum mit der freundlichen Leihgabe von Shure vorangegangen ist.
Design & Verarbeitung
Der Shure AONIC Free erscheint in den Farben Grau und Rot, wobei die Ladeschale (90 mm x 50 mm x 30 mm) immer in Schwarz mitgeliefert wird. Ein Ohrhörer wiegt rund sieben Gramm. Beide Ohrhörer inklusive der Ladeschale bringen 85,5 Gramm auf die Waage. Die Ladeschale besteht ohne Zweifel aus Plastik, bei den Earbuds bin ich mir nicht ganz sicher, würde aber auch auf Kunststoff tippen. Offizielle Angaben zu den Abmessungen konnte ich nicht finden, im Vergleich mit der Konkurrenz sind aber sowohl das Case, als auch die Earbuds ziemlich groß. Im Vergleich mit den 1More Evo wirken Case und Earbuds deutlich weniger qualitativ. Hier merkt man, dass die chinesische Konkurrenz mehr Engagement bei der Verarbeitung und dem Design Ihrer Produkte zeigt.
Lieferumfang der Shure AONIC Free
Die runde Box wird von drei Paaren verschieden großer Ohrpassstücke aus Silikon, einem lächerlich kurzen Kabel von USB-A auf USB-C und der mehrsprachigen Bedienungsanleitung eingenommen. Sicherlich hätte ich mir ein längeres Kabel gewünscht, noch wichtiger für einen potenziellen Nachfolger wären mir aber Aufsätze aus Formschaum. Bang & Olufsen legt die seit Jahren dem Lieferumfang bei und sie verbessern die Klangqualität deutlich, sodass es sich nicht lohnen kann, die paar Euro beim Lieferumfang zu sparen.
Anschlüsse, Haptik und Bedienung der Shure AONIC Free
Geladen werden die Shure AONIC Free über die Ladeschale, die wiederum via USB-C aufgeladen wird. Wireless-Charging gehört bei chinesischen TWS Earbuds in diesem Preisbereich längst zum Standard-Programm und auch hier bietet Shure deutlich weniger als die asiatische Konkurrenz.
Zusätzlich zu dem Anschluss gibt es am Case eine kleine Status-LED, die den derzeitigen Ladestand widerspiegelt. Öffnet ihr das Case und nehmt die Earbuds heraus, schalten sie sich automatisch ein. Legt ihr sie zurück und schließt die Klappe, gehen die Ohrhörer wieder aus. Positiv anzumerken ist überdies, dass mittels der an den Earbuds angebrachten Multifunktionstasten auch das manuelle Ein- und Ausschalten möglich ist.
Damit sind wir auch schon bei der Bedienung angekommen. Die geschieht über die eben erwähnten Multifunktionstasten an der Oberseite der Ohrhörer. Einmaliges Tippen steuert die Musik, zweimaliges Tippen den Transparenzmodus und dreimaliges Tippen startet den Sprachassistenten eures Smartphones. Die gesamte Belegung lässt sich in der App anpassen. Zudem gibt es die Möglichkeit zur Doppelbelegung – werdet ihr angerufen, nehmt ihr den Anruf mit einmaligem Tippen an oder lehnt ihn ab.
Der Druckpunkt der Tasten ist gut, was als Feedback für eure Eingabe schon fast ausreichen würde. Das ist auch der Grund, warum ich echte Knöpfe den sonst häufig verbauten Touch-Bedienfeldern vorziehe. Auch ansonsten scheinen die Earbuds gut verarbeitet und machen einen stabilen Eindruck. Unsere rote Variante wirkt auf korrekt belichteten Fotos dunkler als sie ist – belichte ich aber über, wirken sie deutlich zu hell. Mir gefällt die Farbe gut, auch wenn Fingerabdrücke sich in Windeseile auf der Außenseite der Ohrhörer breitmachen.
Tragekomfort
Damit kommen wir zum Tragekomfort. Trotz der Größe der Earbuds sitzen sie sicher in meinem Ohr, wobei der Schwerpunkt für meinen Geschmack etwas zu weit außen liegt. Bei ruckartigen Bewegungen bewegen sich die Ohrhörer dementsprechend mit, weswegen ich für sportliche Aktivitäten anders aufgebaute Modelle empfehlen würde. Bequem sind die Earbuds des Shure AONIC Free aber allemal, da kann ich mich wirklich nicht beklagen.
Die ebenfalls sehr voluminöse Ladeschale ist meiner Meinung nach das größere Problem, da sie ein wenig die gewünschte Portabilität solcher Earbuds unterminiert. Klar – habt ihr einen Rucksack oder eine Umhängetasche dabei, gibt es kein Problem. In die Hosentaschen passt das Case in meinem Fall auch, bei Hosen für Damen sieht das aber anders aus. Auch bei weniger weit geschnittenen Hosen meinerseits ist bereits ein unschöner Hubbel erkennbar. Ob euch das im Alltag stören würde, müsst ihr selbst entscheiden.
Sound & Abstimmung des Shure AONIC Free
Shure hat im AONIC50 mit einer sehr analytischen, dynamischen und trotzdem spaßigen Abstimmung überzeugt. Zumindest der Spaßfaktor ging für mich im AONIC40 verloren, da die Bässe zu seicht wiedergegeben werden und man sich beim Tuning offenbar auf starke Mitten konzentriert hat. Der AONIC Free liegt irgendwo dazwischen. Der Klang wirkt unaufgeregt und im ersten Moment wenig voluminös. Im direkten Vergleich scheinen andere Ohrhörer deutlich mehr Kraft und Leistung aufzuwenden, um Musik in derselben Lautstärke wiederzugeben. Das bedeutet auch, dass der AONIC Free nach oben hin viele Reserven hat!
Die Bässe glänzen mit einem hervorragenden Ansprechverhalten, stehen aber im Vergleich mit der Mainstream-Konkurrenz im Hintergrund und lassen den Mitten den Platz, den sie brauchen. Für meinen Geschmack hätte Shure etwas mehr Kraft in die unteren Frequenzen packen können, die je nach gewählter Musikrichtung dünn klingen. Dafür gefallen mir die Mitten gut, obwohl sie im Vergleich teilweise etwas steril wirken und Leben vermissen lassen. Für gut aufgenommene und gemischte Musik ist das kein Nachteil und im Equalizer anpassbar ist es sowieso.
Die Höhen gefallen mir gut, auch wenn ich sie für längere Sessions mithilfe des Equalizers etwas zähmen würde. Bei hohen Lautstärken ist Klirren wahrnehmbar, allerdings erreicht der AONIC Free bereits bei mittlerer Lautstärke seinen Sweet Spot und spielt dann am besten und detailreichsten auf. Ganz persönlich fehlt mir im Klangbild ein wenig Leben, Verspieltheit, Spaß und Tiefe. Wer Musik aber gerne möglichst so wahrnimmt, wie sie tatsächlich in die jeweilige Datei geschrieben wurde, wird den AONIC Free lieben.
Ein paar Beispielsongs…
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Wir starten mit Pass The Dutchie von Musical Youth – ja, ich habe zuletzt die vierte Staffel von Stranger Things geguckt. Der Reggae-Titel wird vom AONIC Free ganz wunderbar wiedergegeben und klingt überraschend dynamisch und breit, besonders die brillanten Becken des Schlagzeugs gefallen mir. Mehr Bass wünsche ich mir bei diesem Lied nicht, der Kopfhörer spielt sehr ausgewogen auf. Begeistert hat mich auch der Pop-Song Everything At Once von Lenka. Für meinen Geschmack fehlt Wärme in den Mitten, aber das dürften Puristen ohne Frage anders sehen. Die Stimme der Sängerin klirrt selbst bei hohen Lautstärken nicht merklich.
Bevor ich mich an Angst von Rammstein traue, habe ich mit Collect The Trophy von 10 Ft. Ganja Plant einen weiteren Reggae-Song gehört, der erneut richtig viel Spaß gemacht hat. Der Shure AONIC Free wird der präsenten Basslinie des Titels gerecht und löst sogar die seltsamen Geräusche an der Seite der Bühne passend auf. Nun aber zu Rammstein. Hier begeistern mich die unteren Mitten, die der Gitarre viel Volumen verpassen. Gleichzeitig stoßen die oberen Mitten an ihre Grenzen, wodurch die Stimme von Till Lindemann ein bisschen komprimiert wirkt. Als entspannten Abschluss habe ich Unspoken von Spyro Gyra eingeschoben. Der klingt wieder richtig geil!
Akkulaufzeit & Ladegeschwindigkeit
Bei moderaten Lautstärken – die sind beim AONIC Free eigentlich bereits laut und zumindest für meine Ohren absolut ausreichend – sind die vom Hersteller angegebenen 21 Stunden Laufzeit erreichbar oder sogar zu übertreffen. Wenn ihr keine hohen Lautstärken benötigt und beispielsweise Hörbücher und Podcasts hört, sind auch 25 Stunden ohne Probleme möglich. Die einzelnen Earbuds halten zwischen sechs und acht Stunden. Die Ladeschale ermöglicht zwei volle und eine teilweise Ladung.
Das Aufladen des Cases dauert rund 60 Minuten. Das ist besser, als bei der Konkurrenz und definitiv ein großer Vorteil. Mehr Ausdauer als der AONIC Free bietet eigentlich nur der Beoplay E8 3.0, der mit 30 bis 40 Stunden Laufzeit aber auch weit über der sonstigen Konkurrenz schwebt. Bei diesem Modell dauert das Aufladen dafür mit zwei Stunden doppelt so lang. Shure hat sich also für einen hervorragenden Kompromiss entschieden.
Features & sonstige Eindrücke
Shure stattet den AONIC Free nicht mit aktiver Geräuschunterdrückung aus, sondern nur mit einem Transparenzmodus, der Umgebungsgeräusche verstärkt. Der ist in zehn Stufen regelbar und kann selbstverständlich auch komplett ausgeschaltet werden. Aktiviert ihr diesen Modus, kommt ein je nach Stufe mal stärkeres und mal schwächeres Grundrauschen hinzu. Mich hat das bei der Musikwiedergabe gestört, weswegen ich den Transparenzmodus wirklich nur im äußersten Notfall verwendet habe.
Dafür sind immerhin die Mikrofone für Telefonate und Sprachnotizen ziemlich gut gelungen. In Innenräumen seid ihr jederzeit gut zu verstehen und versteht den Gesprächspartner ebenfalls tadellos. Kommt Straßenlärm hinzu, leidet die Verständlichkeit allerdings merklich. Zwar sind Telefonate auch dann noch möglich, aber eben nicht mehr ganz so komfortabel.
Über die App von Shure habe ich ja bereits einige Worte verloren. Wie auch schon bei den Over-Ear-Kopfhörern des Herstellers gefällt mir die Anwendung entgegen der mäßigen Bewertungen im Google Play Store gut. Der Equalizer macht einen guten Job, die Belegbarkeit der Tasten ist ein tolles Feature und die Sprachansagen beim Koppeln können ein- und ausgeschaltet werden.
Testergebnis
Zum Preis von gerade einmal 170 Euro verspricht Shure sehr potente In Ear-Kopfhörer mit großartigem Klang. Und tatsächlich haben die Earbuds im Test überzeugen können. Sie tragen klanglich zwar manchmal etwas zu dünn auf, begeistern aber mit starken Reserven und einem sehr guten Ansprechverhalten. Auf mich wirkt der Klang manchmal etwas steril, teilweise zu reserviert. In Kombination mit gut gemischten Titeln kann das ein Vorteil sein, auf Lautheit bedachte Musik mit Schönheitsfehlern im Mastering klingt aber auch dementsprechend. Shure wird seinem Ruf als Studiospezialist jedenfalls gerecht.
True Wireless Earbuds müssen allerdings mehr können, als nur guten Sound. Positiv vermerken möchte ich das schicke Design der Ohrhörer, die einfache und in der App anpassbare Bedienung und die gute, aber nicht überragende Akkulaufzeit. Toll ist zudem, dass es überhaupt einen Transparenzmodus gibt – aufgrund des starken Grundrauschens würde ich den aber nur im äußersten Notfall empfehlen.
Die Ladeschale besteht aus Plastik – großflächige Verwendung von haptisch nicht immer sonderlich ansprechendem Kunststoff kennen wir von Shure ja bereits. Dafür wird via USB-C geladen und bei Bedarf geht das sogar ziemlich schnell. Der Tragekomfort ist gut, wobei ich mir zusätzlich Passstücke aus Formschaum gewünscht hätte. Die fehlende aktive Geräuschunterdrückung ist im direkten Vergleich mit der chinesischen Konkurrenz ebenfalls anzukreiden, wobei Bang & Olufsen das in dieser Preisklasse auch nicht bietet.
Wenn ihr analytischen, zurückhaltenden und insgesamt sehr guten Klang gut findet, empfehle ich euch den Shure AONIC Free nahezu ohne Einschränkung. Wichtige Punkte wie die Akkulaufzeit, die App und der Tragekomfort sind entweder solide oder sogar überdurchschnittlich. Ebenso guten Klang in Kombination mit aktiver Geräuschunterdrückung und einem schicken Design findet ihr in dieser Preisklasse nicht, da müsst ihr mindestens 100 Euro mehr in die Hand nehmen und zu den MW08 von Master & Dynamic greifen.
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