MIL-STD 810H & IP – was steckt hinter den Outdoor Zertifikaten?
Wer auf der Suche nach einem Outdoorhandy (zur Bestenlliste) ist oder sich einfach etwas mehr mit dem Thema beschäftigt, ist bestimmt schon mal über die MIL-STD 810H oder die IP-Zertifizierung gestolpert. Beide haben irgendwas mit der Belastbarkeit der Geräte in raueren Umgebungen zu tun. Aber was sagen IP und MIL-STD 810H überhaupt aus? Wir schauen uns das heute mal etwas genauer an!
IP-Zertifizierungen sind heutzutage Standard bei Smartphones
Die IP Zertifizierung ist die bekanntere der beiden Zertifikate. Anhand ihrer könnt ihr erkennen, wie gut ein Gerät vor dem Eindringen von Wasser und Staub geschützt ist. Dieser Standard ist inzwischen so weit verbreitet, dass auch ganz normale Smartphones teilweise mit einer IP68 Zertifizierung werben. In unserem Handyfinder könnt ihr auch danach filtern und euch so alle wasser- und staubdichten Smartphones anzeigen lassen. Im Outdoor-Smartphone-Finder haben nahezu alle Smartphones diese Zertifizierung.
Schauen wir uns am Beispiel “IP68” die IP-Zertifizierung mal etwas genauer an. Zentral sind die beiden Ziffern. Die “6” und die “8”. Hierbei handelt es sich nämlich um zwei getrennte Angaben. Die erste Ziffer – in unserem Fall die 6 – behandelt den Schutz vor dem Eindringen von Fremdkörpern. Die zweite Ziffer, also die 8, gibt Aufschluss über den Schutz vor dem Kontakt mit Wasser. Für beide Ziffern gilt: Je höher die Nummer, desto besser Schutz. Dabei könnt ihr anhand der beiden Ziffern und der unten stehenden Tabelle genau ablesen, was die IP-Zertifizierung eurem Gerät zusichert. Für einen noch genaueren Blick auf die Spezifikation empfehle ich den englischen Wikipedia Artikel, die Norm selbst kostet den Hersteller Geld.
Erste Ziffer | Schutz vor Fremdkörpern. | Zweite Ziffer | Schutz vor Wasser |
---|---|---|---|
IP1X | Schutz gegen feste Fremdkörper mit einem Durchmesser größer als 50 mm | IPX1 | Schutz gegen senkrecht fallende Tropfen |
IP2X | Schutz gegen feste Fremdkörper mit einem Durchmesser größer als 12,5 mm | IPX2 | Schutz gegen Tropfwasser, wenn Gehäuse bis zu 15° geneigt ist |
IP3X | Schutz gegen feste Fremdkörper mit einem Durchmesser größer als 2,5 mm | IPX3 | Schutz gegen Sprühwasser aus einer Neigung bis zu 60° |
IP4X | Schutz gegen feste Fremdkörper mit einem Durchmesser größer als 1 mm. | IPX4 | Schutz gegen Spritzwasser aus allen Richtungen |
IP5X | Schutz vor Staub in schädigenden Menge | IPX5 | Schutz gegen Strahlwasser aus allen Richtungen |
IP6X | Staubdicht | IPX6 | Schutz gegen starkes Strahlwasser |
IPX7 | Geschützt gegen zeitweiliges Untertauchen in Wasser bis zu 1m Tiefe für max. 30min | ||
IPX8 | Geschützt gegen dauerhaftes Untertauchen in Wasser unter spezifizierten Bedingungen (Druck und Zeit, ≥ 1m, 30min) | ||
IPX9 | Schutz gegen Hochdruck- / Dampfstrahlen | ||
IPX9K | Schutz gegen Hochdruck- / Dampfstrahlen | ||
IPXX | Kein spezifischer Schutz gegen Staub | IPXX | Kein spezifischer Schutz gegen Wasser |
Für die IPX8 Zertifizierung gilt bei Smartphones meistens 30 Minuten untertauchen bei 1,5m Tiefe. Wichtig dabei ist, dass sich die Zertifizierung auf den Auslieferungszustand bezieht. Während der Benutzung können Bauteile (Dichtungen, Verklebungen etc.) Schaden nehmen und so doch das Eindringen von Fremdkörpern oder Wasser erlauben, da hilft auch eine IP-Zertifizierung nicht gegen. Außerdem geht der Schutz durch Reparaturen meistens verloren, selbst wenn diese vom Hersteller durchgeführt werden.
Außerdem geht es bei den Tests spezifisch um Wasser. In anderen Flüssigkeiten kann das Gerät auch mit IPX8 Zertifizierung Schaden nehmen. Zu guter Letzt gilt es noch zu bedenken, dass eine IPX9 Zertifizierung nicht automatisch eine IPX8 Zertifizierung enthält. Während das bei Staub relativ eindeutig ist, muss Schutz vor Hochdruck nicht gleichzeitig heißen, dass ihr das Gerät auch längerfristig untertauchen könnt. Der Zusatz K, den ihr manchmal bei einer IP69K Zertifizierung findet, sagt nur aus, dass das Gerät zwar grundsätzlich auf dieselben Fähigkeiten getestet wurde, allerdings in einem etwas anderem Verfahren.
Wichtig zu bedenken ist ebenfalls, dass eine IP-Zertifizierung natürlich Geld kostet – Geld das man auf dem kompetitiven Smartphonemarkt auch gut in andere Features stecken könnte. Entsprechend gibt es Smartphones, die zwar wasser- und staubdicht sind, aber nicht über eine IP Zertifizierung verfügen. Und übrigens: Bei kaum einem Smartphone müsst ihr euch Sorgen machen, wenn ihr es mal im Regen benutzt, das übersteht ihr auch ohne IP-Zertifizierung.
MIL-STD 810 Zertifizierung
Während die IP-Zertifizierung also noch relativ deutlich geregelt ist, sagt die MIL-STD 810 Zertifizierung praktisch gar nichts aus. Sie geht auf Tests des US-amerikanischen Militärs zurück, die ein Gerät bestehen muss, um zertifiziert zu werden.
Die Liste dieser Tests umfasst marzialische Angelegenheiten, wie “Schock durch Geschützfeuer” oder “Pilzbefall” aber auch deutlich harmlosere Geschichten, wie “Regen” oder “Vibrationen”. Das H in MIL-STD 810H steht dabei für die seit 2019 aktuelle Version des Standards. Die Crux an der ganzen Sache ist nun, dass eine MIL-STD 810 Zertifizierung schon durch das Bestehen eines einzelnen Tests zu erreichen ist. Die Zertifizierung sagt also einfach nur aus, dass minimal ein Test aus der langen Liste bestanden wurde. Welcher Test oder welche Tests das waren, muss der Hersteller nicht angeben. Teilweise wird angegeben, welcher Test durchgeführt wurde, in den meisten Fällen allerdings nicht oder nur unzureichend.
Somit ist die MIL-STD 810 Zertifizierung ziemlich einfach zu erreichen. Beim Kauf eines neuen Outdoorgeräts haltet ihr euch also lieber an klar quantifizierbare Angaben, wie die IP-Zertifizierung oder Höhenangaben für Falltest und dergleichen.
Fazit
Beide Angaben, IP und MIL-STD 810 haben ihre Schwächen. Insgesamt ist die IP-Zertifizierung aber deutlich aussagekräftiger als die MIL-STD 810 Spezifikation. Am besten sind aber immer genau beschriebene Tests. Überlegt euch vor dem Kauf genau, was euer Gerät überhaupt aushalten können muss und kauft nicht blind nach Zertifizierung. Im Zweifel kann auch nachfragen beim Hersteller helfen, um herauszufinden, wie ein Gerät getestet / zertifiziert wurde.
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Danke für den interessanten Artikel.
War es nicht auch so, dass der Schutz nur gegen reines (destilliertes) Wasser gilt, quasi unter Laborbedingungen? Bei verdrecktem oder salzigen Wasser z.B. in der Nordsee geht die Sache meistens nicht gut aus.
Ich hatte früher mal das Outdoorhandy Blackview BV6000. Super Teil, nur leider so unglaublich schwer und unhandlich. Das benutze ich aktuell nur noch als Ersatzhammer… 😉
Wenn ich heute sicher gehen möchte, beim Wassersport oder beim Motorrad fahren im Regen, dann kommt das Handy in eine wasserdichte Umhängetasche. Damit gab es noch nie Probleme.
Der IP-Schutz bei Reparaturen geht in der Regel verloren?
z.B. ein Samsung Smartphone das mit Garantie-Leistung repariert wird, also geöffnet werden musste, verliert das IP-Versprechen? Damit würde das Gerät doch die Eigenschaft verlieren, weswegen man es gekauft hat. Mich würde interessieren ob es hierzu weitere bekannte Fakten gibt, also keine spekulativen.
Servus Frank, genau dafür ist ja der Artikel gedacht. Hersteller werden aus Kulanz sicher dein Smartphone auch bei einem Wasserschaden reparieren, haben aber in ihren Garantiebedingungen Schlupflöcher aller Art. Geräte mit IP Zertifikaten sind etwa keineswegs für Unterwasserfotografie gedacht, sondern einfach als zusätzlich Schutz, wenn mal was schiefgeht. Nur als Beispiel für Samsung steht in den Garantiebedingungen folgendes “Das Produkt wurde Flüssigkeiten/Chemikalien jeglicher Art und/oder extremen Temperaturen, Nässe oder Feuchtigkeit ausgesetzt.” – Dann kann Samsung schon beim ersten Mal die Reparatur verweigern. Das Gerät verliert ja auch mit der Zeit und einfach durch die Nutzung den IP-Schutz. Dafür reicht ein… Weiterlesen »
Hallo Jonas,
danke für die ausführliche Rückmeldung. Dieser Beitrag hat mich ja erst zum tieferen Nachdenken gebracht.
In der Werbung der Smartphones mit IP68 wurden sogar Fotos oder Videobeiträge mit Unterwasseraufnahmen beworben, auf Schnorchelebene. Dass bei einer Öffnung durch eine Garantieleistung, auch wegen etwas anderem, man praktischerweise gar nicht mehr damit ins Wasser gehen kann, ist eine kaum bekannte Einschränkung einer beworbenen Produkteigenschaft. Ich will damit nur sagen, auch wenn ich das nicht ändern kann: Nicht gut.
Viele Grüße
Frank