Huawei App Gallery im Test – Wie schlägt sich die Playstore Alternative?
Das Jahr 2019 dürfte für den Tech-Konzern Huawei eines der härtesten gewesen sein. Wie viele von euch schon wissen, wurde in den USA ein Handelsverbot für das chinesische Unternehmen mit Hauptsitz in Shenzhen ausgesprochen. Damit ist es US-amerikanischen Unternehmen, einschließlich Google, untersagt, Geschäfte mit Huawei fortzuführen.
Google spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle, da Huawei-Smartphones mit dem von Google verantworteten Android-Betriebssystem ausgestattet sind. Da Android eine Open-Source Software ist, darf Huawei zwar weiterhin das System auf seinen Smartphones installieren, die Google Mobile Services werden aber direkt von Google bereitgestellt und sind somit vom Handelsverbot betroffen. Um zu verstehen, welche Einschränkungen bei der Nutzung im Alltag damit verbunden sind, hilft es erstmal, die Funktionalität der Google Mobile Services zu umreißen:
Google Mobile Services
Die Google Mobile Services umfassen Google-Apps, diverse APIs und cloudbasierte Dienste als Erweiterung von Android und ermöglichen die Nutzung von Google Services. Damit sind sie sozusagen fast Herz und Seele der meisten Smartphones mit Android und sind offiziell nur auf Geräten installierbar, die von Google zertifiziert sind. Ohne diese Zertifizierung, wie es bei neuen Huawei Smartphones der Fall ist, fehlen zum einen sämtliche Google Apps und Dienste wie Youtube, Google Pay und dem Google Play Store aber auch diverse Apps Dritter sind auf die Google Mobile Services angewiesen und somit nicht mehr lauffähig.
Um diese funktionale Einschränkung zu beheben hat Huawei daher ein eigenes Servicepaket geschaffen, das auf den Namen Huawei Mobile Services hört. Im Detail umfasst das Paket folgende Apps und Dienste:
Huawei App Gallery
Die Huawei AppGallery ist die wohl wichtigste und prominenteste Anwendung aus den Huawei Mobile Services und ersetzt als Zugang zu neuen Apps den Google Play Store. Derzeit umfasst das Angebot dabei rund 45.000 Apps und steht damit deutlich im Schatten der 2,8 Millionen Apps aus dem Play Store. Entsprechend fehlen einige der bekannten Anwendungen wie zum Beispiel Whatsapp, Spotify und Netflix in der AppGallery. Auf der anderen Seite wächst das Angebot stetig und Huawei versucht tatkräftig Entwickler dazu zu motivieren, ihre Apps auch in die AppGallery zu bringen. Das dies scheinbar gut funktioniert, sieht man daran, dass sich Apps wie Snapchat, Telegram oder TikTok bereits in der AppGallery befinden.
Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Android Apps auch auf anderem Wege installieren lassen. So gibt es beispielsweise weitere Alternativen zum Google Play Store wie der Amazon App Store und über Webseiten wie APKPure lassen sich zudem die Installationsdateien nahezu aller Apps aus dem Play Store beziehen. Außerdem listet Huawei in der AppGallery teilweise Apps, die zwar nicht direkt bezogen werden können, aber zur Webseite des Entwicklers verweisen, wo dann die entsprechende Installationsdatei runtergeladen werden kann. Zu guter letzt stellt Huawei auch die App “AppSuche” zur Verfügung, die all die genannten Optionen zu bündeln versucht. Mein Kollege Lukas hat dazu bereits einen ausführlichen Artikel verfasst. Bei all dem muss natürlich weiterhin beachtet werden, dass Apps, die auf die Google Mobile Services angewiesen sind, trotz alternativer Installation nur beschränkt oder gar nicht laufen. Darunter fallen zum Beispiel YouTube und Google Mail.
PhoneClone
PhoneClone ist streng genommen kein Teil der HMS, ist aber ein wichtiger Helfer beim Versuch, ein neues Huawei-Smartphones ohne GMS mit den bisher benötigten Apps und Daten zum Laufen zu bringen. Die App wird dafür auf dem bisher genutzten Smartphone installiert und dann mit dem neuen Hauwei-Gerät verbunden. Neben den üblichen Daten wie Bildern und Kontakten werden auch die bisher installierten Apps installiert, auch wenn diese nicht in der AppGallery verfügbar sind. Das Tool zieht sich also die entsprechenden Dateien vom alten Smartphone und überträgt diese dann. So muss man nicht umständlich Termine, Kontakte usw. sowie auch Apps aus den Google Diensten und anderen Quellen ziehen. Im Test funktionierte dies ganz gut, nur einige wenige Apps konnte das Tool nicht übertragen. Ein paar davon konnte ich dann nachträglich mithilfe der oben beschriebenen Wege nachinstallieren, der andere Teil war leider nicht lauffähig.
Huawei ID und Cloud
Die Huawei ID ist, analog zur Google ID oder Apple ID bei der Konkurrenz, der Account für das Smartphone und dient als Zugangsvoraussetzung für die Services von Huawei. In Verbindung mit der Huawei Cloud werden die Daten, die sich auf dem Smartphone befinden, mit weiteren Geräten synchronisiert und in der Cloud abgespeichert. Darunter fallen Bilder, Notizen, Kontakte, Wifi-Passwörter und weiteres. Zudem kann die Huawei Cloud auch als reiner Online-Speicher verwendet werden, der standardmäßig 5 GB Speicherplatz bietet und kostenpflichtig erweitert werden kann. Die Preise variieren dabei und sind derzeit auch mit starken Rabatten versehen. So erhält man aktuell 10 GB zusätzlich für ein Jahr kostenlos.
Zudem kann die Huawei Cloud auch zum automatischen Backup der eigenen Daten auf dem Smartphone verwendet werden. Über den Link cloud.huawei.com kann außerdem auch auf die gespeicherten Daten von jedem beliebigen Browser aus zugegriffen werden.
Huawei Assistant
Der Huawei Assistant ist mit dem Google Assistant vergleichbar. Der Assistent findet sich links vom Homescreen wieder und bietet Informationen an, die auf den Nutzer zugeschnitten sind. Unter anderem sind dies sogenannte Smart-Care Karten, die relevante Informationen automatisch anzeigen (z.Bsp. Ergebnis eines Fußballspiels), oder ein Newsreader. Ein großer Unterschied zum Google-Pendant ist bei dem Ganzen jedoch, dass der Huawei Assistant derzeit keine Sprachbedienung ermöglicht und grundsätzlich in seinen Fähigkeiten noch sehr beschränkt ist.
Huawei Music
Um auch Google Play Musik ersetzen zu können, bietet Huawei einen Dienst namens Huawei Music an. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich dabei um einen Streaming-Dienst für Musik, der monatlich mit 9,99€ zu Buche schlägt. Das Angebot umfasst laut der Angabe von Huawei 50 Millionen Titel und ist aus meiner Sicht gleichauf mit dem der bekannten Anbieter.
HMS im Alltag
Im Rahmen meines Tests des Huawei P40 Lite hatte ich die Möglichkeit neben dem Smartphone selbst auch die Huawei Mobile Services im Alltag ausführlich zu testen. Wie man an meiner vorausgehenden Auflistung sehen kann, deckt Huawei bereits viele der Google Dienste, die man eigentlich auf einem Android-Smartphone nutzt, durch eigene Services ab. So empfand ich nach anfänglicher Umgewöhnung und etwas Aufwand beim Neueinrichten keine großen Einschränkungen, wenn es um Themen wie die Synchronisation von Daten über die Cloud oder den Browser geht. Natürlich kann ich aber nicht weiter auf meine bisherigen Arbeitsroutinen zurückgreifen und auf die Synchronisation über all meine Geräte hinweg durch Google-Dienste setzen. Das muss einem ganz klar bewusst sein, wenn man sich derzeit für ein neues Huawei-Smartphone entscheidet.
Abhilfe schafft ganz klar die Nutzung von Diensten Dritter, die auch auf Smartphones ohne GMS einwandfrei laufen. So nutze ich zum Beispiel Spotify für Musik, Evernote für meine Notizen und Firefox als Browser auf all meinen Geräten. Bei Videos, Filmen und Serien sieht die Sache jedoch etwas komplizierter aus. Die YouTube-App ist zum Beispiel nicht lauffähig und YouTube daher nur über den Browser nutzbar. Netflix wiederum läuft zwar, aber aufgrund der fehlenden Widevine L1 Zertifizierung lassen sich Inhalte nur in SD-Qualität streamen. Ansonsten sind auch andere Apps aus meinem Alltag wie Google Maps in ihrer Funktionalität eingeschränkt, indem ich mich zum Beispiel nicht in meinem Google-Konto anmelden kann und meine gespeicherten Orte so nicht aufrufen kann.
Ein paar Work-Arounds für die fehlenden Google Apps findet Ihr übrigens in Joschas Artikel Android ohne Google nutzen – Tipps und Tricks.
Fazit
Trotz aller Bemühungen von Huawei, die man definitiv hervorheben muss, bleibt abschließend nur zu sagen, dass aktuelle Huawei-Smartphones tendenziell nur für Nutzer in Frage kommen, die bereit sind einige Umwege zu gehen. Dies betrifft vor allem Apps, da diese zum Teil über Umwege beschafft werden müssen oder schlichtweg nicht lauffähig sind. Zusätzlich kommt hinzu, dass App-Updates manuell angestoßen werden müssen. Wer also in dieser Hinsicht eine Plug-and-play-Nutzererfahrung von seinem Smartphone erwartet, sollte sich definitiv bei anderen Herstellern umsehen. Wenn die einwandfreie Nutzung von Google Diensten zusätzlich auf der Wunschliste steht, ist die Entscheidung noch deutlicher, auch wenn Huawei fast sämtliche Google Dienste mit einem entsprechenden Gegenstück auf seinen Smartphones ersetzt.
Aktuelle Huawei-Smartphones bieten sich daher nur für Nutzer mit entsprechenden Kenntnissen an. Die Bereitschaft, Kompromisse eingehen zu müssen, sollte auf jeden Fall vorhanden sein, denn Hand aufs Herz: die Google Mobile Services sind den Huawei Mobile Services derzeit schlichtweg überlegen.
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danke für den unfassenden bericht. hat mir mega doll geholfen und ich glaube ich werde mit das p40 lite zulegen.
Grüße von der Ostsee, paul 🙂
Hallo Paul,
das freut mich zu hören! Gerne ?
Gruß (ebenso) von der Ostsee
Cool! Danke für dein Feedback 🙂
Ich denke, dass viele Dienstleister erstmal abwarten, ob Trump wiedergewählt wird, bevor sie eine endgültige Entscheidung treffen, ob sie jetzt ihre Apps portieren oder nicht. Falls der derzeitige US-Prasident doch abgewählt werden sollte, besteht ja durchaus die Möglichkeit einer Lockerung der Sanktionen. Dann wird die Huawei-Gallery wieder weitgehend begraben und die Arbeitszeit und das Geld wären umsonst investiert. Dahingehend verständlich, dass man sich noch zurückhält.
Hallo,
mich interessiert die rechtliche Situation bei nachträglicher Entzug der Lizenz. Ich habe mir in Ermangelung eines Max4 ein Mate 20x zu einem Preis gekauft, den ich mir eigentlich gar nicht leisten kann. Und nun verursacht der Gedanke, daß Gerät mal auf Werkseinstellungen zurücksetzen zu müssen, Gänsehaut.
Weiß jemand, ob ich z. B. in so einem Fall wegen eines erheblichen Mangels gegenüber dem Mediamarkt auch noch nach z. B. zwei Jahren ein Reklamationsrecht habe?
Gruß Georg
Hey Georg,
es wird wohl keinen nachträglichen Entzug der Lizenzen geben. Laut Huawei werden alle Geräte bis zum Mate 30 weiterhin mit Updates versorgt und behalten die Google Mobile Services. Das steht auch aktuell nicht zur Debatte. Außer ich hätte da was verpasst.
Beste Grüße
Jonas
Hallo,
danke für diese Beruhigung. Aber- ich habe in der Diskussion beim Cent-Shop zum Mediapad 6 folgendes gelesen, daß der Shop den Playstore raufgefrickelt hatte aber diese Lösung nur bis zum Rücksetzen auf Werkseinstellungen hielt. Eine neue Lösung gibt es nicht.
Übrigens: ich bin Dir zu Deiner Einschätzung zum Mate 20x immer noch sehr dankbar. Ich habe darauf vertraut, als Du geschrieben hattest, daß der Test eines Gerätes Dir selten so viel Freude gemacht hätte.
Mir macht das Gerät auch täglich Freude.
Gruß Georg