Alte Videospiele neu aufleben lassen und dazu noch auf einem AMOLED unterwegs genießen: Mit dem Anbernic RG556 testen wir das aktuell teuerste Modell im Sortiment des Herstellers. Wir hatten zuletzt auch den Anbernic RG Cube im Praxistest. Im Vergleich dazu bekommt man hier den gleichen Prozessor, ein flotter Unisoc T820 Tangula, aber dazu ein knackiges 16:9 AMOLED-Display. Dank Android 13 ist man flexibel und bedient den Anbernic RG556 so einfach wie ein Smartphone. Lohnen sich etwa 200€ für den Retro-Spielespaß für unterwegs? Oder reicht eigentlich auch ein modernes Smartphone? Dem gehen wir in folgendem ausführlichem Testbericht auf den Grund.
Design, Verarbeitung & Display
Der Anbernic RG556 misst 223 x 90 x 15 Millimeter, was ungefähr so groß wie eine Nintento Switch ist. Auf die Waage bringt der Handheld 331 Gramm. Das Handling gefällt mir wesentlich besser als bei der Switch, da die Hörner nach unten hin schön rund und dick zum Greifen sind. Verfügbar ist der Anbernic RG556 in Schwarz oder Transparent-Blau. Die Verarbeitung ist solide. Beim Verwinden knarzt der Kunststoff etwas, aber das ist bei Sony oder Nintendo nicht anders. Auf dem Schwarz-Matt sieht man Fingerabdrücke zum Glück nur selten.
Am Rahmen finden sich oben der Powerbutton, Lautstärkewippe und Lüfterauslass. Unten liegen ein klassischer Kopfhöreranschluss, MicroSD-Kartenslot und USB-C-Anschluss. Letzter erlaubt Videoout, wodurch man per HDMI-Kabel einfach das Bild auf den großen TV überträgt. Jetzt nur noch einen Playstation Dualshock (Anleitung) oder Nintendo Pro Controller koppeln (Android) und schon spielt man gemütlich auf der Couch. An Bord auf dem Retro-Handheld sind WiFi 5 und Bluetooth 5.0.
Sound kommt aus Stereo-Lautsprechern links und rechts. Die sind unten an den Hörnern platziert und schallen in die Handkuhle. Die Idee, den Resonanzkörper zu nutzen, ist nicht schlecht. Es wäre aber schon Platz vorhanden gewesen, bessere Lautsprecher zu verbauen: Bass ist quasi nicht vorhanden. Für den Retro-Klang alter Spiele geht es aber voll in Ordnung.
Bedienung: Joysticks & Buttons
Bedient wird der Anbernic RG556 über den Touchscreen und die Buttons. Auch das Android-System kann per Buttons gesteuert werden müssen. Bei den verschiedenen Emulatoren muss man oftmals auf den Touchscreen zurückgreifen, z.B. für Einstellungen am Emulator.
Man setzt auf sogenannte „Hall“-Joysticks und Trigger bzw. Schulterbuttons. Die haben den Vorteil, dass sie nicht (so schnell) kaputtgehen. Mit einem Stick Drift wie bei der Switch muss man sich nicht herumärgern. Die beiden Joysticks leuchten auf Wunsch weiß: Der Effekt kann modifiziert oder ausgeschaltet werden. Das Layout der Buttons entspricht größtenteils dem XBOX- oder Nintendo Pro Controller. Der zusätzliche „Anbernic“ Button ruft die Oberfläche mit allen Emulatoren und der Spielbibliothek auf.
Für den Vibrationsmotor wünscht man sich definitiv ein „Rumble Pak“, wie einst für den N64 Controller oder Nintendo DS. Damit man die Vibrationen ganz einfach abstellen kann. Der Vibrationsmotor im Anbernic RG556 ist schrecklich und löst ein Klappern der Schulterbuttons aus. Ich musste die Vibrationsfunktion in jedem Emulator, und teils dann abermals für jede ROM, einzeln deaktivieren.
Display des Anbernic RG556
Verbaut ist ein 5,48 Zoll großes AMOLED-Display im 16:9 Format. Dieses löst in Full-HD mit 1920 x 1080 Pixel auf und erreicht eine Bildpunktdichte von 402 Pixel pro Zoll. Die Bildwiederholrate liegt bei 60 Hertz. Auch wenn die emulierenden Spiele kein HDR bieten, sehen sie auf dem kontrastreichen Panel toll aus. Dazu hat man mit der hohen maximalen Helligkeit auch im Freien keine Probleme. Wir messen 1110 Lux bei komplett weißem Display. Ein Helligkeitssensor ist nicht verbaut und die Option „Automatische Helligkeit” in den Android-Einstellungen bringt nichts. Nervig ist zudem, dass der Anbernic RG556 nur über den Powerbutton aufgeweckt werden kann.
Lieferumfang des Anbernic RG556
Der Anbernic RG556 kommt mit einem USB-C-Kabel zum Aufladen und einer Glasfolie, die man selbst anbringen kann. Den Anbernic RG556 gibt es mit oder ohne extra Micro-SD-Speicherkarte: 128GB für ca. 8€ und 256GB für ca. 16€. Auf der Karte sind zahlreiche Spiele ROMs vorinstalliert, was allerdings nicht legal in Deutschland ist. Wir raten daher zum Kauf der Version ohne MicroSD-Karte mit ROMs. So stehen 128GB Systemspeicher bereit. Davon etwa 100GB zur freien Verfügung. Zur Einschätzung: Je neuer das Videospielsystem, umso größer die ROM: 1-3 GB für Wii oder PS2 und ca. 500MB – 1GB für Nintendo 3DS.
System
Auf dem kleinen Retro-Handheld läuft Android 13. Das Design wurde größtenteils nicht angepasst, aber an mehreren Stellen an die Funktionen des Gerätes angepasst, z.B. in den Schnelleinstellungen.
Vorinstalliert sind bereits alle Emulatoren und sie sind auch für den Einsatz auf dem Anbernic RG556 eingerichtet. Über den Button mit Anbernic-Logo ruft man den Game Space auf. Hier wählt man dann einfach das Videospiel-System aus, sieht alle installierten Games und startet das Spiel.
Leistung des Anbernic RG556
Der Unisoc T820 setzt auf 8 Kerne, davon sogar ein Prime Core, und eine Quad-Core Mali-G57 GPU @ 850MHz. Im CPU-Cluster taktet der Cortex-A76 Prime-Core mit @ 2,7GHz, drei Cortex-A76 Kerne @ 2,3GHz und vier Cortex-A55 Effizienzkerne @ 2,1GHz. Gefertigt wird der Chip in 6 Nanometer. Er wäre sogar 5G-fähig, aber der Anbernic RG556 hat kein Mobilfunkmodem. An Speicher sind 8GB LPPDR4x Arbeits- und 128GB UFS 2.2 Systemspeicher verbaut. Der RAM ist im Emulatoren-Betrieb nie auch nur ansatzweise ausgelastet. Der Systemspeicher erreicht 1030 MB/s beim Lesen und 570 MB/s beim Schreiben.
Beim Anbernic RG556 kommt es zu keiner Zeit zu Thermal Throtteling! Gekühlt wird über eine Heatpipe und sogar ein aktiver Lüfter steht bereit. Der Bereich oben rechts am Gerät erwärmt sich etwas, aber es kam fast nie vor, dass sich In-Game der Lüfter für ein paar Minuten hinzuschaltete und dann wieder ausging. Hier hat man die Wahl zwischen: Aus, Automatik, An und Strong. Auch in den Stress-Tests kam es weder beim CPU- noch beim GPU-Test zu Thermal Throtteling. Hier konnte sogar der Lüfter ausgeschaltet bleiben.
Spieleperformance
Den Hinweis direkt zum Start: Sind ROMs nun legal oder nicht oder eine Grauzone? Das Team von Chinahandys rät ganz klar vom Download ab! Spielt die Spiele nur, wenn ihr auch das Original habt. Probiert das Ganze doch mal auf dem Smartphone aus: Anleitung: Videospiel-Emulatoren auf dem Smartphone nutzen.
Dass die alten Videospielsysteme problemlos emuliert werden, steht außer Frage. Werfen wir also lieber einen Blick auf die eher modernen Systeme, denn hier wird es spannend, ob der Unisoc T820 noch genug Rechenleistung bietet. Für die Emulation der Konsolen braucht es deutlich mehr Leistung, als die alten Konsolen selbst hatten. Für die Emulation der PS3 braucht es schon einen soliden Gaming-PC. Für die kleinen Handhelds ist davor schon Schluss. Aber mehr Rechenleistung hilft auch hier immer!
Praxistipp: Ruckelt ein Spiel, hilft es oftmals das „Video Backend“ zu wechseln: Mario Titel laufen z.B. auf Vulkan besser. Standardmäßig ist meist OpenGL ausgewählt. In der Praxis macht das gerne mal 10fps aus, also Ruckeln oder nicht.
Ich habe auch ein paar Imame-Aufnahmen gemacht über die Funktion „Bildschirm aufzeichnen“ unter Android. Die Funktion braucht leider auch Rechenleistung, was gerade bei der Wii ebenfalls den Unterschied zwischen ruckelndem oder flüssigen Bild ausmacht.
Nintendo Gamecube & Wii
Vorweg: der, die oder das Gamecube? Ich habe alles schon gehört. Spiele für DIE Nintendo Gamecube laufen auf dem Anbernic RG556 größtenteils einwandfrei. Zum Beispiel bei Mario Sunshine kam es selten zu FPS-Dops (kein Ruckeln, sondern Bild in ~0,5-facher Geschwindigkeit), aber das war in den Levels nicht hinderlich. Wen die Zeitlupen-Geschwindigkeit stört, aktiviert Frame-Skipping, dann laufen die ROMs dauerhaft flüssig.
Für die Emulation von Wii Spielen wird anscheinend nicht viel mehr Power benötigt. Dass Super Mario Galaxy 2 fast ununterbrochen flüssig lief, beeindruckt. Beim Anflug auf Planeten kommt es dann schon mal zu FPS-Drops auf 10 fps. Dazu waren auch größere Planeten nicht ruckelfrei spielbar. Insgesamt also möglich, aber nicht so geschmeidig wie das Original. Vor keine Herausforderung wurde der Anbernic RG556 bei Mario Kart Wii, Paper Mario, New Super Mario oder Legend of Zelda Twilight Princess gestellt.
Bei der Wii hat man das Problem, dass die Pointer-Steuerung emuliert werden muss. Dafür hält man den Anbernic RG556 waagrecht und lenkt den Cursor per Gyroskop. Das ist alles andere als optimal: In Mario Galaxy oder Paper Mario klappte es noch, aber Shooter, wie Metroid Prime 3, steuert man so nicht präzise und schnell genug.
Nintendo 3DS
Auch für die portable Konsole hat der Anbernic RG556 mehr als genug Power. In Pokémon darf man die Geschwindigkeit erhöhen (damit Kämpfe und Gespräche nicht mehr in „Zeitlupe“ abgespult werden 😀 ). Man kann sogar Upsampling betreiben: So wird die Auflösung verdoppelt und das Full-HD Display stellt die Grafik, insbesondere Schriften, klarer dar. Mit dem 5,48-Zoll-Display hat man ausreichend Platz, um beide Nintendo 3DS Displays links und rechts darzustellen.
PSP & Playstation 2
Bei der PSP gab es keinerlei Probleme dauerhaft 60fps zu liefern. Bei der Playstation 2 sah es schon anders aus. Die meisten ROMs wurden problemlos abgespielt, z.B. God of War 2, Okami oder Final Fantasy 10. Generell laufen die Need for Speed Spiele miserabel auf Emulatoren. Unter 30fps läuft das Spiel quasi in Zeitlupe ab.
Akkulaufzeit des Anbernic RG556
Anbernic wirbt mit bis zu 8 Stunden Akkulaufzeit mit dem 5500mAh Akku. Der PC Mark Benchmark, den wir sonst immer nutzen, brach auf dem Handheld leider immer ab. In der Praxis kam ich auf etwa 5 Stunden Gaming verteilt über den Tag mit neueren Videospielsystemen.
Tipp aus der Praxis: Beendet stets die Emulation, wenn man den Anbernic RG556 für einige Zeit beiseitelegt. Moderne Konsolen haben einen Ruhemodus, wo man das Spiel schnell fortsetzen kann, der aber kaum Strom benötigt. Beim Retro-Handheld kann man zwar auch die Emulation pausieren, das Display sperren und dann schnell wieder fortsetzen, aber es wird in der Zeit viel Akku verbraucht.
Schnell aufladen kann das Gerät bedauerlicherweise nicht. Mit maximal 10 Watt dauert ein vollständiger Ladevorgang 3 Stunden und 15 Minuten. Eine kleine Status-LED zeigt an: Grün – Angeschaltet bzw. Vollgeladen oder Rot – beim Aufladen.
Testergebnis
Der Anbernic RG556 ist ein toller Handheld für „Retro-Gaming“. Mit dem Unisoc T820 hat man genug Leistung bis maximal zur Playstation 2, PSP, Nintendo 3DS und Wii. Dazu kommt das starke 5,5 Zoll AMOLED-Panel. Ein großer Vorteil beim Hersteller ist das System: Im zweiten Launcher hat man schnellen Zugriff auf die Gaming-Bibliothek und es ist alles von Haus aus eingerichtet. Etwas Kritik ist im Test aufgekommen und ein paar Eigenheiten hat der Handheld. Die größte Hürde ist wohl der Preis: Etwa 200€ für die Hardware sind richtig preiswert! Aber man gibt Geld aus, für ein Gerät, das man eigentlich nicht braucht.
Alternativen gibt es erstaunlich viele auf dem Markt: Der AYN Odin 2, Retroid, Powkiddy – aber (fast) jeder hat die nötige Hardware derzeit in der Hand. Mit einem modernen Smartphone hat man bereits Rechenleistung zur Emulation und ein Controller verwandelt das Handy zur Spielekonsole. Persönlich präferiere ich klar extra Hardware für Gaming (PS5 > Gaming-PC) und mit dem Anbernic RG556 wurden einige schöne Stunden gezockt. Um die offensichtliche Alternative auch mal genannt zu haben: Unter 200€ bekommt man auch schon eine Nintendo Switch – aber halt mit „Folgekosten“.
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Danke für den Test.
Aber wie sieht bei so einem Gerät mit Streamen aus (Steam usw.) ?
Läuft das auch zuverlässig ?
Mich würde so ein Gerät schon interessieren, wenn ich dann ein paar älter Spielen aus meiner Bibliothek auf dem Sofa nachholen könnte.
Bis Weihnachten gibt es das Gerät bestimmt auch günstiger 😀
Das Optimum holt man aus dem Gerät wenn man auf die vorinstallierten Apps verzichtet, ich habe alles erst einmal deinstalliert und die aktuellen Emulatoren bzw deren Versionen installiert. Läuft nun deutlich besser , habe mit ps2 und Gamcube Spielen keine negativen Erfahrungen danach mehr gehabt.